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Teil 5/12: Medizin

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Anthroposophische Perspektiven - In dieser Aufsatzreihe stellen Autoren beispielhaft Perspektiven der Anthroposophie auf das Lebensgebiet ihrer Berufspraxis vor.

als Heilpflanze sowohl

als Heilpflanze sowohl bei Verschleimungen der Luftwege als auch bei Flüssigkeitsansammlungen im Gelenk verordnet werden. Entscheidend für das Verständnis der Bezüge zwischen Mensch und Naturreich ist laut Steiner der Gedanke der Entwicklung: Sowohl menschheitsgeschichtlich seit Tausenden von Jahren als auch individuell entwickelt sich der Mensch beständig weiter. Steiner hat für das menschliche Leben – vor allem in der Kindheit, aber nicht nur da – wesentliche »typische« Entwicklungsschritte beschrieben, in deren Verlauf es immer wieder zu Krisen kommt, die sich auch in körperlichen oder in seelischen Erkrankungen ausdrücken können. KRISEN DURCHLEBEN, ENTWICKLUNG ERMÖGLICHEN Dazu ein Beispiel – und ein wichtiger Hinweis: Bitte bedenken Sie, dass jeder Krankheitsfall grundsätzlich individuell zwischen Arzt und Patient abgestimmt werden muss und unbedingt der ärztlichen Begleitung bedarf. Das gilt sowohl für die therapeutischen Verfahren als auch für die Arzneimittel. Die hier geschilderten Beispiele dienen lediglich dazu, anhand eines konkreten Falles bestimmte Prinzipien der Anthroposophischen Medizin zu verdeutlichen und dürfen in keinem Fall als allgemeine Therapievorschläge verstanden werden: Eine Mutter kommt mit ihrem dreijährigen Sohn in die Sprechstunde und berichtet, dass das Kind im vergangenen Jahr ständig Streptokokken-Infektionen der Rachenmandeln gehabt und jedes Mal Antibiotika und fiebersenkende Medikamente bekommen habe. Meist mit nur kurzem Erfolg, denn nur wenige Wochen danach sei alles von vorne losgegangen. Jetzt habe der Junge wieder Fieber und könne kaum essen und trinken. Der anthroposophische Kinderarzt erkennt: Ein solcher Fall ist typisch, denn durch die direkte und wiederholte Verordnung von Antibiotika und fiebersenkenden Mitteln wurde dem Jungen gewissermaßen die Möglichkeit genommen, die Erkrankung – soweit es geht – aus eigener Kraft zu überwinden. Etwas überspitzt formuliert: Die Krankheit wurde ihm immer wieder »weggenommen«. »Wer die Luft ausserhalb des Körpers nicht zu sich rechnet, der soll auch seinen Mund nicht zu sich rechnen, sondern soll seinen Körper erst beim Magen beginnen lassen. Also, es ist schon ein Unsinn, sich innerhalb der Haut als abgeschlossen zu denken.« Rudolf Steiner im Vortrag am 9. 12. 1923

Deshalb setzt die Anthroposophische Medizin anders an: Im Gespräch mit der Mutter entwickelt der Kinderarzt eine Therapie, die es dem Jungen ermöglicht, die immer wieder aufkeimenden Infektionen nachhaltig zu überwinden. So soll zum Beispiel das Fieber nicht künstlich gesenkt werden. Inzwischen geht übrigens nicht mehr nur die Anthroposophische Medizin davon aus, dass es sinnvoll ist, Fieber, mit dem der Organismus eine Infektion bekämpft, kontrolliert und in enger Begleitung durch den behandelnden Arzt zuzulassen. Immer mehr Studien zeigen mittlerweile, dass damit das Risiko sinkt, später bestimmte chronische Krankheiten zu bekommen. Statt fiebersenkender Mittel bekommt der Junge nun Wadenwickel, unterstützend werden innerlich Apis mellifica und Belladonna sowie Zinnober in einer potenzierten Form verordnet. Äußerlich werden Halswickel mit Zitrone gemacht, zu trinken gibt es Ringelblumentee, leicht mit Honig gesüßt, da der Honig einen leicht antibakteriellen Effekt hat. Nach drei Tagen klingt das Fieber ab, auch die Schluckbeschwerden sind inzwischen besser geworden. Für die nächsten drei Wochen verordnet der Arzt noch ein Mittel wie zum Beispiel Prunuseisen-Globuli, um die Widerstandskräfte und Aufbaukräfte zu stärken. Außerdem kann der Junge zwei Wochen zu Hause bleiben, um in Ruhe wieder zu Kräften zu kommen. Der Effekt: Die Infektionen traten nicht mehr auf. Das Beispiel zeigt, wie die Anthroposophische Medizin arbeitet: Die Behandlung setzt zum einen direkt bei den Symptomen an, zum anderen wird aber ebenso darauf geachtet, die körpereigenen Ressourcen zu fördern und den Patienten langfristig zu stärken. Krankheit wird von der Anthroposophischen Medizin auch als Chance zur Entwicklung verstanden – anders als in der konventionellen Medizin, die mit Antibiotika, Antihypertensiva, Antihistaminika et cetera vor allem Gegenmaßnahmen gegen eine Erkrankung formuliert. Im Gegensatz dazu sieht die Anthroposophische Medizin in Erkrankungen etwas ganz anderes als mechanistische Ausprägungen eines Ursache-Wirkungs-Prinzips. Stattdessen stellen sich insbesondere folgende Fragen: Wieso tritt eine Krankheit gerade zu einem bestimmten Zeitpunkt auf? In welcher Beziehung steht die Erkrankung zum Leben und zur Individualität des Patienten? Was kann er/sie daraus lernen? Kann dadurch eine neue Entwicklung angestoßen werden? Auch wenn dieser Prozess oft schmerzhaft ist, will die Anthroposophische Medizin den Menschen auf diesem Entwicklungsweg unterstützen. Bei Kindern kann man dieses Phänomen besonders gut beobachten: Viele Eltern merken, dass ihr Kind, nachdem es eine Kinderkrankheit oder einen Infekt, eng betreut vom behandelnden Arzt, in Ruhe durchmachen und schließlich überwinden konnte, einen deutlichen Entwicklungsschritt gemacht hat. Auf den Punkt gebracht: Oft braucht das Kind die Krankheit, um sich weiterzuentwickeln. Dementsprechend gehört es zum Selbstverständnis der Anthroposophischen Medizin, den Patienten in der Überwindung einer Krise beziehungsweise Krankheit so zu unterstützen, dass daraus eine individuelle Entwicklung entstehen kann. Auch wenn diese Entwicklungsfähigkeit an zentraler Stelle steht: Es gibt natürlich immer wieder Situationen, in denen die Anthroposophische Medizin, je nach Schweregrad eines Krankheitsbildes, schulmedizinische Medikamente und Verfahren mit einbezieht. Auch dazu ein konkreter Fall: Ein zwölfjähriger Junge wird in der Sprechstunde vorgestellt. Die Eltern berichten, dass bei ihrem Sohn vor einem Jahr in der Uniklinik eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (Morbus Crohn) diagnostiziert wurde. Seither bekommt er schulmedizinische Medikamente, die antientzündlich und immunsuppressiv wirken. Damit geht es dem Jungen deutlich Es ist eine Stärke der Anthroposophischen Medizin, Krankheiten als Krisen zu verstehen, die zur indi viduellen Entwicklung beitragen können. besser, und er ist im Alltag nur noch wenig beeinträchtigt. Allerdings haben die Medikamente nicht unerhebliche Nebenwirkungen, sodass die Eltern nach einer Therapiemöglichkeit suchen, die auch langfristig gut verträglich ist. Der anthroposophische Kinderarzt, auf kindliche Darmerkrankungen spezialisiert, erklärt den Eltern zuerst einmal, dass die schulmedizinische Therapie zunächst nicht einfach abgesetzt und durch eine anthroposophische Therapie ersetzt werden könne. Trotzdem weiß er Rat, denn zusätzlich zur konventionellen Therapie verordnet der Arzt verschiedene anthroposophische Medikamente. Außerdem beginnt das Kind ambulant eine anthroposophische Kunsttherapie. Nach einigen Wochen können die schulmedizinischen Medikamente bei klinisch stabilem Zustand des Jungen teilweise reduziert werden, später kann auch eines der Medikamente ganz abgesetzt werden. Es treten keine erkennbaren Nebenwirkungen mehr auf. Weitere gelegentliche Krankheitsschübe können immer wieder mit zusätzlichen anthroposophischen Arzneimitteln gut abgefedert werden. ANTHROPOSOPHISCHE MEDIZIN 5

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