ALLE FÜRS KLIMA »Viele Böden zeigen Burnout- Symptome« Alles dreht sich ums Klima, den Klimawandel, die Emission klimaschädlicher Gase. Woher Letztere kommen, wohin sie gehen, wer sie verursacht, wie man sie vermeidet. In dieser Serie widmen wir uns monatlich einem klimarelevanten Ernährungs thema. Diesmal geht es um den besorgniserregenden Zustand der Böden weltweit und wie der Bio-Landbau zur Verbesserung beitragen kann. Alnatura sprach dazu mit Agrarwissenschaftlerin Dr. Andrea Beste. lnatura Magazin: Frau Dr. Beste, was verbinden Sie mit dem Begriff Boden und wie kamen Sie dazu, sich beruflich mit ihm zu beschäftigen? Dr. Andrea Beste: »Mit Boden verbinde ich einen guten erdigen Geruch und leckeres Gemüse. Ich habe mich schon in meinem Geografiestudium auf Landbau spezialisiert. Und der fängt natürlich beim Boden an. Danach habe ich in Zusammenarbeit mit der Stiftung Ökologie und Landbau in Agrarwissenschaften promoviert und die Spatendiagnose zu einer wissenschaftlichen Methode weiterentwickelt, denn die Analyse der Bodenstruktur ist essenziell für Bäuerinnen und Bauern.« Warum ist unser Boden so wichtig? Und was unterschätzen wir hier? »Der Boden ist eine der wichtigsten Ressourcen für das Leben von Menschen, Tieren und Pflanzen. Doch der Zustand der Böden weltweit – auch in Europa – ist besorgniserregend. Viele Böden zeigen regelrechte Burnout-Symptome und können ihre Funktionen mit Blick auf die Herausforderungen des Klimawandels, die Erzeugung gesunder Nahrungsmittel, den Erhalt von sauberem Dr. Andrea Beste ist Agrar wissenschaftlerin und Diplom- Geografin. Nach ihrem Studium an der Johannes- Gutenberg- Universität Mainz promovierte sie in Gießen und gründete im Jahr 2001 das Büro für Boden schutz und Ökologische Agrarkultur. Seit 2008 berät sie zudem das Europäische Parlament, den Deutschen Bundestag und verschiedene Landtage in den Bereichen Umwelt-, Agrar- und Lebensmittelpolitik. Humusreiche Böden binden nicht nur CO 2 , sondern ernähren auch wichtige Bodenlebewesen und schützen gleichzeitig vor Austrocknung und Überschwemmungen. 8 Alnatura Magazin Oktober 2020
Trinkwasser und den Hochwasserschutz nicht mehr erfüllen. Weist man darauf hin, heißt es oft, mit mehr Rücksicht auf den Boden könne man die Welt nicht ernähren. Dabei unterschätzen »Der Boden ist eine der wichtigsten Ressourcen für das Leben von Menschen, Tieren und Pflanzen.« Dr. Andrea Beste wir bodenschonende, ja sogar bodenaufbauende Agrarpraktiken. Eine Auswertung von 160 Studien im Jahr 2007 ergab: Der Bio- Landbau erreicht in den Anbausystemen der Industrieländer Erträge von durchschnittlich 92 Prozent des konventionellen Anbaus. Der ökologische Landbau in den Tropen erreicht allerdings sogar Erträge bis zu 174 Prozent im Vergleich mit konventionellen Anbausystemen. In den Tropen haben wir im Bio-Landbau hochintensive Agroforstsysteme – das geht aber im Prinzip auch hier bei uns.« Wie gesund sind unsere Böden in Deutschland? Und wie kann man ihren Zustand erkennen? »Immer wieder gibt es Aussagen, wie im letzten Bodenzustandsbericht, dass die Mehrheit unserer Böden in Deutschland gut mit Humus versorgt sei. Das bezweifle ich. Zum einen, weil zwei bis drei Prozent Humus nicht als ›gut‹ einzustufen sind. Zum anderen weiß ich aus eigenen Untersuchungen von über 440 Standorten deutschlandweit, dass man den konventionell bewirtschafteten Böden ansieht, wie wenig Humus und vor allem Bodenleben noch in ihnen steckt – sehr wenig. Sie zeigen fast durchgehend eine verdichtete Bodenstruktur und sind erosionsanfällig. Das sieht bei ökologisch bewirtschafteten Böden überwiegend anders aus.« Welche Unterschiede gibt es zwischen konventionell und ökologisch bewirtschaftetem Boden? »Konventionelle Böden werden entweder mineralisch gedüngt oder mit hochstickstoffhaltiger Gülle. Mineraldünger ist nicht nur ein großer Humusfresser, sondern er schadet auch direkt den für die Pflanzengesundheit so wichtigen Mykorrhiza-Pilzen im Boden. Diese sterben nach und nach ab. Die Böden verdichten und emittieren mehr Lachgas, welches 300-mal klimaschädlicher ist als CO 2 . Mineraldünger und sehr stickstoffhaltige Gülle machen Pflanzen außerdem anfällig und schwach, weshalb dann Pestizide als sogenannter ›Pflanzenschutz‹ zum Einsatz kommen. Das ist aber kein Pflanzenschutz, das ist ein Reparaturansatz für eine zuvor schlecht praktizierte Pflanzenernährung.« Wie können wir die positiven Eigenschaften der Böden besser nutzen? »Humusreiche Böden bilden eine Schwammstruktur. Mit dieser kann der Boden bei Starkregen mehr Wasser aufnehmen und speichern. Es kommt nicht so schnell zu Überschwemmungen und bei Trockenheit ist länger Wasser für die Nutzpflanzen vorhanden. Das macht unsere landwirtschaftlichen Systeme widerstandsfähiger gegenüber den Unwägbarkeiten des Klimawandels. Es ist also nicht nur vernünftig, sondern absolut notwendig, zu einem ökologischen Bodenmanagement zu wechseln.« Was können Verbraucherinnen und Verbraucher tun – im heimischen Garten, aber auch beim Lebensmitteleinkauf? »Nun, biologische Produkte einzukaufen ist schon sehr viel wert. Im heimischen Garten sollte man natürlich ebenfalls komplett auf Gift verzichten und, wenn möglich, einen eigenen Komposthaufen anlegen. Das ist die beste Kreislaufwirtschaft. Allerdings dürfen auf den Kompost dann auch nur Bio-Abfälle, sonst sammle ich zum Beispiel über Schalen Gift im Kompost und dünge damit meine Pflanzen.« Vielen Dank für das Gespräch. Das Interview führte Julia Aumüller.
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