GUT LEBEN Danke, 48 Alnatura Magazin Juli 2023
GUT LEBEN lieber Wald! Den Wald kennen wir bereits unser ganzes Leben lang. Aber wie oft nehmen wir die grüne Oase bewusst wahr? Unsere Autorin steht öfters buchstäblich im Wald, was ihr unglaublich guttut. Aber warum eigentlich? Erfahren Sie mehr über das Waldbaden und seine positiven Effekte. M anchmal stehe ich im Wald. Und das mit voller Absicht und Freude. Wenn ich in den Wald komme, verlangsame ich automatisch mein Tempo. Auch die Gedanken drehen sich weniger schnell. Ich nehme mit allen Sinnen wahr: das Zwitschern der Vögel, das Klopfen des Spechtes, ein hallendes »Kuckuck« in der Ferne, Rascheln hier und dort im Gebüsch. Unter den Schuhen knacksen kleine Äste und ich spüre den weichen Boden. Die klare Waldluft strömt in meine Nase, und was ich zudem schätze: Der Wald zeigt sich jedes Mal von einer neuen Seite und ist nie langweilig. Wer Zeit im Wald verbringt, spürt es meist instinktiv: Wald tut gut. Kein Wunder also, dass das aus Japan stammende Waldbaden auch hierzulande immer mehr Anklang findet. Der Begriff »Shinrin Yoku« heißt sinngemäß übersetzt »Baden im Wald« und wurde in den 1980er-Jahren durch die japanische Forstwirtschaftsbehörde geprägt: Als Reaktion auf den Stress der Menschen lädt es dazu ein, Zeit im Wald zu verbringen. Das Waldbaden soll nicht nur entspannen, sondern auch zu mehr Wertschätzung gegenüber der Natur führen. Dr. Qing Li, der unter anderem Professor an der Nippon Medical School in Tokio ist und zu den wichtigsten Fachleuten für das Waldbaden zählt, beschreibt Shinrin Yoku so: »Wenn wir langsam durch den Wald gehen und dabei sehen, hören, riechen, schmecken und berühren, dann bringen wir unsere Rhythmen in Einklang mit der Natur.« Zudem erklärt er: »Und wenn wir in Harmonie mit der Natur sind, beginnt unser Heilungsprozess. Unser Nervensystem kann sich neu einstellen, Körper und Geist können sich wieder dem annähern, wie sie sein sollten. Wenn wir in Einklang mit der Natur sind, fühlen wir uns erfrischt und erholt.« 1 WIE DER WALD WIRKT Die wohltuenden Wirkungen eines Waldbades sind nicht nur unmittelbar spürbar, sondern auch wissenschaftlich nachgewiesen. Dr. Qing Li untersucht diese seit Jahrzehnten: »Waldbaden sorgt also für guten Schlaf und eine bessere Stimmung – man wird weniger aggressiv und feindselig und überhaupt weniger mürrisch. Es senkt die Herzfrequenz und den Blutdruck und fördert die Gesundheit des Herz-Kreislauf- und des Stoffwechselsystems. Vor allem aber kann es das Immunsystem stärken.« Und das sind nur einige Beispiele. Übrigens muss es nicht immer ein langer Spaziergang sein: Einer Studie zufolge, die am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin durchgeführt wurde, reduziert bereits ein einstündiger Spaziergang in der Natur die mit Stress verbundene Gehirntätigkeit. Eine weitere Studie des Institutes zeigte, dass Stadtbewohner, die nahe am Wald wohnen, vermehrt Hinweise auf eine physiologisch gesündere Hirnstruktur zeigen und daher vermutlich besser mit Stress umgehen können. Die Untersuchungen machen zudem deutlich, dass auch ein Spaziergang im Park inmitten einer Stadt ähnliche Effekte wie das Waldbaden erzielen kann. 2 1 Dieses und die weiteren Zitate von Dr. Qing Li aus: Dr. Qing Li. »Die wertvolle Medizin des Waldes«. Rowohlt Polaris, 2018. 2 Sudimac, S., Sale, V. & Kühn, S. »How nature nurtures: Amygdala activity decreases as the result of a one-hour walk in nature«. Mol Psychiatry 27, 4446–4452 (2022). https://doi.org/10.1038/s41380-022-01720-6 und Kühn, S., Düzel, S., Eibich, P. et al. »In search of features that constitute an ›enriched environment‹ in humans: Associations between geographical properties and brain structure«. Sci Rep 7, 11920 (2017). https://doi.org/10.1038/s41598-017-12046-7 Alnatura Magazin Juli 2023 49
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