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Alnatura Magazin - Februar 2017

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Alnatura Bio-Bauern-Initiative: viel Boden gut gemacht. Zwei, die sich mögen: Möhre ♥ Kreuzkümmel - mit passender Rezept-Idee Weitere Rezepte: Smoothie "Winterliebe", Bananen-Guglhupf

ZEIT WISSEN »Was Angst

ZEIT WISSEN »Was Angst macht, zieht auch an.« Der Psychiater Reinhard Haller hat als Sachverständiger für verschiedene Gerichte mehr als 400 Einzel- und Serienmörder begutachtet. Darunter auch das »Bombenhirn« Franz Fuchs, den Naziverbrecher Heinrich Gross und den Serienkiller Jack Unterweger. Ein ZEIT-WISSEN-Gespräch über das Böse im Menschen und den Umgang mit Narzissten. ››› Reinhard Haller ist Psychiater, Psychotherapeut und Chefarzt des Krankenhauses Stiftung Maria Ebene in Frastanz, Österreich. Als einer der renommiertesten Gerichtspsychiater Europas hat er neben zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten zu den Themen Suizid, Depressionen, Sucht und Kriminalpsychiatrie mehrere Sachbücher publiziert. Heute lebt er mit seiner Frau in Feldkirch und hat drei erwachsene Kinder, die ihm raten, nicht so viele Gerichtsakten zu lesen. Foto Maurice Haas 38 Alnatura Magazin 02.2017

01 01 01 Januar / Februar 2017 NR. 01 Herr Haller, wo liegt die Grenze zwischen Gut und Böse? Es muss im Menschen so etwas wie einen Moralinstinkt geben. Denn Delikte wie Töten, Vergewaltigen oder Rauben werden zu allen Zeiten, in allen Kulturen als verwerfliche Taten angesehen, die man verhindern und bestrafen muss. Der Mensch weiß das also instinktiv. Tatsächlich beginnt das Böse, glaube ich, an dem Punkt, an dem man den Moralinstinkt überspringt. Wie entsteht das Böse? Es gibt zwei Theorien. Die eine besagt, dass der Mensch als universell kriminelles Wesen auf die Welt kommt. Er ist böse und es ist die Aufgabe der Erziehung, aus dem grausamen Kind, diesem wilden Wesen, ein sozial a daptiertes zu machen. Die andere These besagt, nein, genau umgekehrt, Kinder sind unschuldig und die Lebensentwicklung, der falsche Umgang und Drogen machen sie erst zu bösen Wesen. Ich selbst bin ein Anhänger der ersten Theorie. Wir tragen also das Böse alle in uns? Ich glaube, dass jeder Mensch in sich seine Abgründe hat. Für mich ist das auch die Erklärung, weshalb sich Thriller in der Literatur und im Film so großer Beliebtheit erfreuen: Letztlich spürt der Mensch, dass er auch böse Anteile hat, die in bestimmten Situationen manifest werden können. Er kennt sie nicht, sie sind verdrängt, abgespalten, aber im Film, im Thriller, da findet er sie, da findet er ein Stück von sich. Wie gehen Sie vor, wenn Sie einem Beschuldigten zum ersten Mal begegnen, um ihn zu begutachten? Entscheidend ist meine Haltung. Wenn ich glaube, ich bin der Experte und kann den anderen kategorisieren und diagnostizieren, dann habe ich wenig Chancen. Ich gehe stattdessen mit dem Gefühl hinein: je größer der Verbrecher, desto größer der Psychologe, der dahintersteckt. Er muss die Dinge nicht lernen wie unsereiner, er hat einen ganz anderen Instinkt. Diese Menschen können einen in Sekundenschnelle erfassen. Mit dieser Einstellung wird man ernster genommen. Und dann führe ich zunächst ein ganz normales Gespräch, höre die Sichtweise des anderen. Wir reden über das Leben, die Krankheiten, die sozialen Beziehungen und dann machen wir Intelligenz-, Gedächtnis- und Persönlichkeitstests. Manchmal müssen Sie auch einschätzen, ob jemand entlassen werden kann oder zu gefährlich dafür ist. Falls Sie sagen, die Person kann freigelassen werden, und sie danach ein Verbrechen begeht, bekommen Sie ein Problem. Als Gutachter wären Sie auf der sicheren Seite, wenn Sie sie im Gefängnis lassen. Ja, denken Sie an den Mordfall Natalie in München. Der Täter war nur einen Tag zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden. Der Kollege, der ihn begutachtet hatte, brachte sich um, weil der öffentliche Druck so groß wurde. Viele sagen da sicherheitshalber lieber gleich, einer ist zu gefährlich, damit sie kein Risiko haben. Aber das ist ein Riesenproblem. Man hat das weltweit untersucht und herausgefunden, dass mindestens 50 Prozent der Menschen in Sicherungsverwahrung gar nicht gefährlich sind. Die sind vollkommen zu Unrecht dort. Ein großes Thema Ihrer Arbeit ist der Narzissmus. Mit Trump bekommt dieses Thema jetzt noch mal eine ganz neue Tragweite. Ich glaube übrigens, dass die Leute ihn nicht gewählt haben, obwohl er ein Narzisst ist, sondern gerade deswegen. Das ist ein typischer Mechanismus: Das, was Angst macht, was nicht berechenbar ist, zieht auch an. Die Leute versuchen, sich das Unheimliche anzueignen, sich mit ihm zu verbünden. Was ist besonders gefährlich im Umgang mit Narzissten? Die Kränkbarkeit! Sie ist die Achillesferse des Narzissten. Unter einem Narzissten versteht man einen Egozentriker, einen eigensüchtigen, entwertenden, nicht empathischen Menschen – vor allem aber ist er ein sehr kränkbarer Mensch. Erdoğan zum Beispiel: Wenn ein deutscher Komödiant einen Scherz macht, löst das eine Staatskrise aus. Warum werden solche Leute Anführer? Für die Wirtschaft hat die Psychologie das gut erforscht. Sie sagt, Narzissmus ist für die Karriere ein großer Gewinn – am Anfang. Wenn jemand durchsetzungsstark und rücksichtslos ist, Ideen hat, bringt das ein Unternehmen und den Einzelnen voran. Aber irgendwann duldet derjenige keine Kritik mehr, fühlt sich angegriffen, hört nicht mehr zu. Gefolgsleute verlassen ihn, er wird immer einsamer in seinen Entscheidungen, beginnt, sich nicht mehr an Gesetze zu halten. Hart gesagt: Das Unternehmen sollte einen Narzissten einstellen, aber nach zehn Jahren rausschmeißen. Gibt es überhaupt Gerechtigkeit? Das ist eine ganz entscheidende Frage und ich kann sie nicht beantworten. Das stört mich auch oft. Wenn einer wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wird, bekommt er eine extrem strenge Strafe, weil das politisch so gewollt ist. Er muss hohe Therapiekosten bezahlen und Schmerzensgeld. Seine Frau wird sich von ihm trennen, seine Kinder werden ihn nie mehr besuchen, er hat keinerlei Chance auf beruflichen Wiedereinstieg, er ist in der Hackordnung im Gefängnis das unterste Huhn. Das ist für sich genommen verständlich. Aber ist es gerecht? Das ist dann das, was wir auf Gott projizieren. Wir hoffen, dass es irgendwann eine gerechte Abrechnung gibt, weil wir es menschlich nicht lösen können. Wissen, was wirklich wichtig ist Was steckt wirklich im Brot, unserem wichtigsten Nahrungsmittel? Wie halte ich meinen Körper fit? Und kann man nachhaltig verreisen? Diese und weitere spannende Fragen beantwortet ZEIT WISSEN in jeder Ausgabe! Erfahren Sie Neues aus Gesundheit & Psychologie oder Umwelt & Gesell schaft: WISSEN faszi nierend, lebendig und alltagsnah. 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