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Alnatura Magazin April 2022

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Osterpicknick von süß bis herzhaft // Alles über Backtriebmittel // Erleben: Radfahren macht glücklich

INTERVIEW

INTERVIEW Alnatura trifft Giancarlo Brocci Gründer der Eroica Die Eroica zieht jedes Jahr zahlreiche Fahrrad- und Nostalgiefans in die italienische Toskana – genauer gesagt in das kleine Dorf Gaiole in Chianti. Unser Autor hat sich vergangenen Oktober zum dritten Mal auf einem 35 Jahre alten Rennrad über die Strade Bianche gequält und mit dem Gründer der wichtigsten Retro-Fahrradveranstaltung, Giancarlo Brocci, über die Faszination Fahrrad gesprochen. 56 Alnatura Magazin April 2022

INTERVIEW Fahrrad-Spezial Herr Brocci, welche Bedeutung hat der Radsport in Ihrem Leben und woher kommt die Leidenschaft für (alte) Fahrräder? »Meine Leidenschaft für den Radsport stammt aus der Umwelt, in der ich aufwuchs, und von der Generation unserer Väter und Großväter. Radsport war der Sport unserer Alltagshelden und unser Leben voll von Geschichten fantastischer Meisterleistungen, die man sich zu dieser Zeit mehr vorstellte, als sie selbst zu erleben. Radsport war damals ganz klar die Königsdisziplin und die besten Literaturschaffenden Italiens kamen in die Region und schrieben wundervolle Geschichten über dieses Epos des 20. Jahrhunderts, über die Heldentaten der Giganten der Straße.« Sie haben die Eroica vor 22 Jahren ins Leben gerufen, um den Geist der goldenen Radsportära wieder zum Leben zu erwecken, aber auch, um die letzten charakteristischen Schotterstraßen der Toskana, die Strade Bianche, vor der Asphaltierung zu schützen. Warum war Ihnen der Erhalt dieser Wege so wichtig? »Die weißen Straßen gingen langsam verloren, als die örtlichen Verwaltungen die Mittel fanden, um sie asphaltieren zu lassen. Diese Straßen sind Teil unserer Geschichte und ein wesentliches Element der Landschaften von Chianti und Siena. Ihre Erhaltung wurde sozusagen zur bürgerlichen Pflicht. Als wir die Rennräder zurück auf die Schotterstraßen brachten, wurde uns klar, dass sie mehr als eine choreografische Kulisse für atemberaubende Fotos sind, sondern ein Zweck an sich.« 1999 waren es zunächst 92 Teilnehmende – heute gibt es Eroica-Ableger auf der ganzen Welt. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg? »Zuerst war die Eroica ein Nischenevent für Nostalgikerinnen und Sammler. Heute hat sich die Zahl der Teilnehmenden hier in Gaiole in Chianti um das Hundertfache gesteigert und es gibt weltweit viele Ableger. Das Geheimnis unseres Erfolgs? Anscheinend haben wir eine tief sitzende Sehnsucht ge- funden, die von vielen Menschen geteilt wird. Es hat sich der Gedanke durchgesetzt, dass die Eroica eine Möglichkeit ist, Sport wieder um des Sportes willen zu betreiben, eine Chance, den Radsport den Menschen zurückzugeben, seine authentischen Ursprünge wiederzuentdecken.« Die Eroica ist extrem fordernd und gerade die Routen mit 135 beziehungsweise 209 Kilometern auf langen Schotterabschnitten und mit vielen Höhenmetern sind hart. Trotzdem ist die Tour kein Rennen. Wie beschreiben Sie den Geist des Events? »Natürlich ist die Eroica – speziell die langen Routen – sehr hart. Aber es gibt diesen großartigen emotionalen Eifer, das gemeinschaftliche Epos, den Willen, sich gegenseitig zu helfen, vor dem Hintergrund dieser atemberaubenden Landschaft. Ich würde sagen, wir beziehen unsere Kraft für das Rennen aus der Ribollita, einer toskanischen Suppe, Endorphinen und positiver Energie. Das alles spiegelt sich in dem mittlerweile etablierten Motto ›Die Schönheit der Erschöpfung und der Reiz der Überwindung‹ wider.« Welche Lektionen kann die Eroica uns für eine (nachhaltige) Zukunft lehren? »Unser Event ist zweifellos ein Aufruf, an die Randgebiete zurückzukehren, der Dauerbelastung der Motorisierung in den Großstädten zu entfliehen und die Ländlichkeit wiederzuentdecken. Die Straßen, die wegen des Staubs und der Unebenheiten von Autofahrerinnen und -fahrern gemieden werden, sind zu Oasen geworden, in denen sich Gelassenheit und ein weniger gestresster Lebens stil zurückgewinnen lassen. Ein Manifest darüber, wo es sich länger und besser leben lässt und wo man Panoramen, Stille und natürlich erstklassiges Essen genießt.« Das Fahrrad erlebt gerade einen neuen Boom – vom Vintage-Liebhaberstück bis zum komfortablen E-Bike. Was glauben Sie, welche Rolle wird das Fahrrad im Verlauf des weiteren 21. Jahrhunderts für unsere Mobilität spielen? »Das Fahrrad, in all seinen Formen, ist endlich wieder in Mode. Schon der große Alfredo Martini (Anm. d. Red.: italienischer Radprofi von 1941 bis 1957) pflegte zu sagen, dass das Fahrrad unsere Zukunft sei. Dass Fahrradfahrerinnen und -fahrer meist lächeln würden, während sie in die Pedale treten, und dass es eine Notwendigkeit gebe, Städte ohne die Tyrannei des lebensstehlenden Verkehrs zu denken, der die Umwelt verschmutzt. Heute sehen wir endlich die ersten autofreien Städte und wir, die viele alte Räder von Dachböden und aus Kellern gerettet haben, freuen uns über diesen Trend. Und egal ob Graveloder E-Bike: Fahrradfahren verbessert die Mobilität und das Leben aller, die sich darauf einlassen.« Das Interview führte Sebastian Fuchs. »Die Eroica ist eine Möglichkeit, Sport wieder um des Sportes willen zu betreiben, eine Chance, den Radsport den Menschen zurückzugeben, seine authentischen Ursprünge wiederzuentdecken.« Giancarlo Brocci Die Eroica findet im Herzen des Weinbaugebiets Chianti Classico zwischen Siena und Florenz auf Landstraßen und Feldwegen aus weißem Schotter statt. Start- und Zielort ist Gaiole in Chianti. Auf den fünf Strecken – von 46 bis 209 Kilometer – gibt es mehrere Verpflegungsstationen mit lokalen Köstlichkeiten und Weinen. Voraussetzung für eine Teilnahme ist, mit einem alten Rennrad mit Rahmenschaltung, offen laufenden Bremszügen und ursprünglichen Pedalkäfigen an den Start zu gehen. Mittlerweile gibt es Ableger in Großbritannien, den Niederlanden, Spanien, Deutschland, der Schweiz, den USA und Südafrika. Alle Events finden Sie unter eroica.cc Alnatura Magazin April 2022 57

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