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Teil 9/12: Kunst

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Anthroposophische Perspektiven - In dieser Aufsatzreihe stellen Autoren beispielhaft Perspektiven der Anthroposophie auf das Lebensgebiet ihrer Berufspraxis vor.

»Farbe ist unter allen

»Farbe ist unter allen Umständen nichts Reales, sondern Bild. Und wir haben hier einmal das Bild des Toten, einmal das Bild des Lebens, das Bild der Seele, das Bild des Geistes. Schwarz: das geistige Bild des Toten, Grün: das tote Bild des Lebens, Pfirsichblüt: das lebendige Bild der Seele, Weiß: das seelische Bild des Geistes.« Rudolf Steiner im Vortrag am 6. Mai 1921 und Grün können dies nicht in gleicher Weise. Sie lassen den Betrachter in Ruhe. Es wird also zunächst eine allgemeine Polarität von außen (Sinneseindruck) und innen (Farberlebnis) geschildert, dann eine konkrete Farb-Polarität von Ruhe (Grün / Inkarnat) und Bewegung (Rot / Blau). Was ist der Grund dafür? Die Äußerungen Rudolf Steiners zur Malerei sind nicht losgelöst zu sehen von seinen grundlegenden, philosophisch-ästhetischen Werken, insbesondere der Philosophie der Freiheit. Hierin wird eine umfassende Anschauung des Menschen sowie seine Freiheitsfähigkeit dargestellt: der Mensch als entwicklungsfähiges Wesen, das nicht eingebunden sein muss in Sinnes- und Denkzwänge, sondern sich jedenfalls ein zunehmend freies Verhältnis zu beiden Bereichen, dem Bereich der Sinnlichkeit und dem Bereich der Ideen, erarbeiten kann. So ist der Mensch fähig, die Farbe, die zunächst als Sinneseindruck (außen) auftritt, von der Gebundenheit am Gegenstand insofern zu lösen, als er sie – innerlich – unabhängig vom Gegenstand betrachten kann. Er kann zur Farbe selbst eine Beziehung aufnehmen und ihre Eigenschaft untersuchen. In einem weiteren Schritt kann er das Verhältnis der Farbe zum Gegenstand, an dem sie erscheint, beurteilen: Unterstützt oder modifiziert die Form oder das Material des Gegenstandes den Eigenwert der Farbe? Die Fragerichtung lässt sich auch umkehren: Kann der Gegenstand, an dem sich eine Farbe zeigt, mir etwas über die Farbe selbst mitteilen? Im Wechsel der Fragerichtung wird der Wechsel von Rot / Blau zu Grün / Inkarnat vollzogen. Diese Farben werden als Ausdruck eines Weltbereichs aufgesucht: der Pflanze beim Grün, dem Menschen beim Inkarnat. Auch da zeigt sich die Farbe als Ausdruck: als Ergebnis eines Prozesses, einer Durchdringung. Die Pflanze als keimendes, wachsendes, blühendes, welkendes und samenbildendes Wesen bringt ihre Lebendigkeit im Grün des Laubblattes zum Ausdruck. Die Lebendigkeit der Pflanze erscheint nicht unmittelbar im physischen, sondern mittelbar in der grünen Farbe. Umgekehrt schaue ich durch die Qualität des Grünen auf die Lebendigkeit der Pflanze. Das Inkarnat kennt der Mensch an sich selbst sowohl von »innen« als auch von außen: Das Bild dessen, wie er sich »inkarniert« fühlt, kann er am eigenen Inkarnat anschauen. Seine Befindlichkeit bildet sich ab an der Leiblichkeit, im Inkarnat. Umgekehrt bekommt man durch das Inkarnat einen Eindruck der Befindlichkeit eines anderen Menschen. Im Aufsatz »Goethe als Denker und Forscher« bemerkt Steiner in den Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften: »Es fällt mir natürlich nicht ein, alle Einzelheiten der goetheschen Farbenlehre verteidigen zu wollen. Was ich aufrecht erhalten wissen will, ist nur das Prinzip.« Das goethesche Prinzip, die Farben als Geschehen aufzusuchen, wird hier auf Grün und Inkarnat angewandt. Das Fazit dieser Betrachtung: Auch wenn Grün und Inkarnat das seelische Erleben nicht unmittelbar in Bewegung bringen, kann man sie als Ausdruck eines qualitativ »Innerlichen« verstehen. 6

Der Künstler kann zuletzt darauf kommen, / daß aus seinen Gestaltungsimpulsen etwas wird, / das einem Naturdasein ähnlich wird; dann / stellt er Natur in die Natur; aber er bildet / nichts aus ihr heraus. Farbe und Form = Empfindung eines / schöpferischen Prozesses – / Die Form flutet auf der Farbe – / Gegensatz = Die Farbe wird von der Form / getragen oder auch von der / »Idee« Man kann weder das Feuer malen, noch die / Luft zeichnen. / Wenn jemand rote Tischgeräte hat, so schließe ich / auf ein lucullisches Mahl – bei blauen auf eine / hungrige Gesellschaft. Notizblatt Rudolf Steiners, abgebildet in »Farbenerkenntnis und künstlerisches Schaffen«. ZWEI POLARITÄTEN Für die Malerei tritt die Frage nach dem Übergang von innen (Farberlebnis) nach außen (Fläche) auf: Können die Farben im inneren Erleben frei vorgestellt und in Bewegung gehalten beziehungsweise als Ausdruck einer Innerlichkeit empfunden werden, stellt sich bereits beim Auftragen der ersten Farbfläche die Frage nach ihrer Begrenzung. Die Farbe muss in die physische Welt »eingepasst« werden: ihre Ausdehnung an das Format des Trägers – der Wand, der Leinwand, des Papiers – angepasst werden. Der Farbe droht der Verlust ihrer Beweglichkeit oder Innerlichkeit. Nach Rudolf Steiner lässt Grün als ruhige, in sich differenzierte Fläche sich gut in physische Verhältnisse einpassen, Inkarnat hingegen weniger gut: Die Lebendigkeit der Farbe fordert farbliche Nuancierung und Differenzierung in der Fläche, ohne dass die Nuancen in Einzelflächen auseinanderfallen. Inkarnat strebt nach Zusammenhang. Insofern stellen Grün und Inkarnat eine malerische Polarität dar. Rot und Blau, die beiden anderen Farben aus dem Experiment, erzeugen dagegen im flächigen Auftrag eine Bewegungspolarität: Rot verhält sich zur Fläche so, dass es sich von der Fläche ablöst und scheinbar davor schwebt, Blau scheinbar dahinter. Diese flächig-räumliche Polarität bezeichnet Rudolf Steiner als Farbperspektive, die ein unmittelbareres Verhältnis zwischen Farbe und Gegenstandswelt begründet als die Raumperspektive: »Wir sind heute (Vortrag 20. Mai 1923, d. Verf.) wiederum in der Zeit, wo wir zurückfinden müssen zum Naturgemäßen des Malens, denn zum Material des Malens gehört auch die Fläche … Man empfindet die Fläche nur, wenn man die dritte Raumdimension ausgelöscht hat. Man hat sie ausgelöscht, wenn man das Qualitative auf der Fläche als Ausdruck der dritten Dimension empfindet, wenn man das Blau als das Zurückgehende, das Rot als das Hervortretende empfindet, … das Wesentliche ist doch, dass, nachdem wir eine Zeitlang künstlerisch durch den Materialismus durchgegangen sind, der sich auch in der Raumperspektive ausdrückt, wir wiederum zu einer mehr spirituellen Auffassung auch des Malerischen zurückzukehren vermögen, so dass wir wiederum zur Farbenperspektive zurückkommen.« DIE FARBE ALS UNIVERSALIE Rudolf Steiner behandelt die Farben als Universalien, als allgemeine Qualitäten, die in ihrem Ausdruckswert nicht an eine besondere Erscheinungsform gebunden sind, wiewohl sie durch diese abgewandelt werden können. Die Eigenschaft »Rot« ist als eigenständige für das Erleben auffindbar, auch wenn dazu Gegenstände als Anschauungsobjekte herangezogen werden: eine rote Tasse, ein roter Klatschmohn, Abendröte, eine rote Wand. Dabei kann man bemerken, dass eine großflächige und ruhige Ausbreitung der Farbe eine gute Möglichkeit bildet, sich der »Röte« an und für sich (innerlich) zu nähern. KUNST 7

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