Aufrufe
vor 7 Jahren

Teil 11/12: Naturwissenschaften

  • Text
  • Menschen
  • Naturwissenschaften
  • Mensch
  • Welt
  • Naturwissenschaft
  • Erde
  • Sonne
  • Steiner
  • Schad
  • Freud
Anthroposophische Perspektiven - In dieser Aufsatzreihe stellen Autoren beispielhaft Perspektiven der Anthroposophie auf das Lebensgebiet ihrer Berufspraxis vor.

EINFÜHRUNG Schon dem

EINFÜHRUNG Schon dem jungen Rudolf Steiner wurde seine spirituelle Veranlagung bewusst. Seine Lehrer rieten den Eltern, ihn studieren zu lassen. An der Technischen Hochschule in Wien studierte er Naturwissenschaften und Mathematik, um selbst Lehrer zu werden. Doch bald fesselten ihn ebenso die Philosophie bei Franz Brentano wie die deutsche Klassik bei Karl Julius Schröer. Ab 1890 gab er in Weimar Goethes naturwissenschaftliche Schriften »Zur Morphologie« aus dessen Nachlass erstmals vollständig heraus. Er schloss sich dem Anliegen Goethes an, die Naturwissenschaften nicht nur zur technischen Anwendung zu bringen, sondern sie zur gesellschaftlichen Bildungskultur beitragen zu lassen. Das ist noch heute keineswegs gelungen, weil die technische Verwendung im Vordergrund steht. Den Waldorfpädagogen und Evolutionsbiologen Prof. Dr. Wolfgang Schad an der Universität Witten / Herdecke regte Steiners Auffassung von Geist an, dass derselbe nicht in lebensfernen Theoremen, Systemen und Konstrukten besteht, sondern das Geistige dann seinen Namen verdient, wenn es umfänglich lebenstauglich, also praxisfähig ist. Darauf beruht die gewachsene Praxistauglichkeit der Anthroposophie. Sie versucht, durch die Selbsterkenntnis den immer besser kennenzulernen, der so massiv in die Welt eingreift: den Menschen. Die naturwissenschaftliche Methodik bietet dafür das erste Übungsfeld durch Erfahrung und Verstehen. So gab Steiner seinem frühen philosophischen Hauptwerk »Die Philosophie der Freiheit« den Untertitel »Seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode«. Beide Seiten verbindet auch der folgende Beitrag von Prof. Dr. Wolfgang Schad. ››› Manon Haccius I M P R E S S U M Anthroposophische Perspektiven / Zwölfteilige Serie Teil 11: Die Naturwissenschaften heute und in Zukunft – Gut für die Technik und schlecht für die Kultur? Autor: Wolfgang Schad Herausgegeben von: Manon Haccius, Alnatura Produktions- und Handels GmbH, Darmstädter Straße 63, DE-64404 Bickenbach, www.alnatura.de Copyright © 2011 by Alnatura Produktions- und Handels GmbH, Bickenbach Gestaltung: usus.kommunikation, Berlin Abbildungen: Rudolf Steiner Archiv, Dornach; Bernhard Rüffert (8, Porträt); NASA / Smith / Generosa (5 Sonnensystem); NASA / CXC / M. Weiss (5 Spiralnebel); NASA/CXC/SAO (2); W. Schad (6) Verlag: mfk corporate publishing GmbH, Prinz-Christians-Weg 1, DE-64287 Darmstadt Druck: alpha print medien AG, Darmstadt Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, verboten. Kein Teil des Werks darf ohne schriftliche Genehmigung in irgendeiner Form reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme oder Datenträger verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Jede Verwertung ist ohne die Zustimmung des Herausgebers und des Autors unzulässig. 2

DIE NATURWISSENSCHAFTEN HEUTE UND IN ZUKUNFT – GUT FÜR DIE TECHNIK UND SCHLECHT FÜR DIE KULTUR? WOLFGANG SCHAD Sie sitzen im Zug. Wo haben Sie sich Ihren Platz gesucht? Natürlich dort, wo noch wenige sind. Am besten allein im Coupé. Warum eigentlich? Wir sind überfüttert vom Anblick unbekannter Menschen. Das ist recht anders im Afrika südlich der Sahara. Ob Bus oder Bahn, der Einheimische setzt sich möglichst dorthin, wo schon jemand sitzt. Dann hat man doch jemanden, mit dem man plaudern kann. Auch wir in Europa sitzen – besonders in Wochenendzügen – eng zusammen, aber wir schweigen uns an. Wir reden nur, wenn es sein muss, miteinander. Doch es gibt Ausnahmen. Es wird lauthals miteinander gesprochen: per Handy. Serien von Familienintimitäten bekommt man über einen halben Großraumwagen mit, die man von keinem Nebensitzer erzählt bekommen würde. Das ist eine der unseren Alltag handgreiflich bestimmenden Auswirkungen der Naturwissenschaften: Zwischen Mensch und Mensch schalten wir ein Maschinchen dazwischen und natürlich die Medien. Medium heißt Mitte. Medien sollen vermitteln. Sie tun es nur im Informationsgehalt. Ihr Erlebnisgehalt aber ist reine Täuschung. Vom Erlebnisreiz lebt die Unterhaltungsindustrie. In den USA gibt es in jedem größeren Laden eine Kassette zu kaufen: »Mother’s heartbeat – baby feels well, while mother ist shopping«. Wie praktisch. Sie möchte einkaufen gehen, und derweil bekommt der Kleine im Bettchen Mutters Herzschlag vorgespielt, so als ob er bei ihr schlafen dürfte – und wird belogen. Da die Nachwachsenden immer weniger auf ihnen vertraute Realmenschen treffen, kennen sie kein lohnendes Urvertrauen ins Leben mehr. Wir sind zur »lonely crowd« geworden, zur Masse der Vereinsamten. Das ist eine gar nicht so ferne Fernwirkung der Naturwissenschaften. Wir leben aber nicht nur in der Menschenentfremdung, sondern auch in der Weltentfremdung. Wir sehen die natürliche Umwelt nicht mehr so, wie sie sich darbietet, sondern so, wie das naturwissenschaftliche Denkkonzept sie uns anbietet: als Industriepalast. Pflanzen, Tiere und Menschen sind Eiweißmaschinen, von der Software ihrer DNA gesteuert. Also nutzt diese Welt nur noch als Rohstoffressource für die Cyberwelt. Ökokatastrophen sind die logischen Folgen. Hier regt sich längst Widerstand: politisch in der grünen Bewegung und in der Vernunft des Einzelnen sowieso. Immer mehr Leute merken sich die Halbwertzeit des Plutoniums: 24 200 Jahre wird es dauern, bis die Hälfte dieses im 20. Jahrhundert künstlich erzeugten radioaktiven Elementes zerfallen sein wird. Nach 200 000 Jahren ist noch etwa ein Prozent vorhanden – das ist ist immer noch zuviel. Haben alle an den politischen und wirtschaftlichen Hebeln der Macht Sitzenden die Zahl von 24 200 Jahren Halbwertzeit des Plutoniums aus ihrer Schulzeit noch im Kopf? Rechnen wir auf 100 Jahre 3 Generationen, so müssen unabdingbar dreimal 2 000 (= 6 000) Generationen unserer Nachfahren die Quittung für diese Technik einlösen. Ist also, als der geistige Verursacher dieser Sachlage, die Naturwissenschaft des Teufels? Keineswegs. Der Begründer einer modernen gründlichen Menschenkunde, der Anthroposophie, sah einen anderen Umgang mit dem Anliegen der Naturwissenschaft als Möglichkeit. Rudolf Steiner: »An der Naturwissenschaft liegt es wirklich nicht, die bietet tatsächlich Gediegenes.« Steiners Kritik lag vielmehr darin, dass nicht immer die Naturwissenschaftler, wohl aber die Naturwissenschaft voll des guten Geistes ist. ABBAU DER DOPPELHEIT IN DER WELT Die europäische Aufklärung stand an der Wiege der modernen Naturwissenschaften. Der französische Denker René Descartes (1596 – 1650) teilte alle Erfahrungen in zwei Hälften ein: alle räumlichen, also messbaren Dinge einerseits und die eigenen Bewusstseinsinhalte andererseits. Keines könne vom anderen abgeleitet werden und das jeweils andere erklären. Descartes begründete die Sicht von der Doppelheit der Welt: den Dualismus. Doch alle Menschen werden trotzdem den Verdacht nicht los, dass wir letztlich mit der Welt in einer Einheit leben. Ganzheitssuche, Ganzheitsmedizin, ein ganzheitli- NATURWISSENSCHAFTEN 3

digitale Sammlung

Neu eingetroffen

© 2021 by Alnatura