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Alnatura Magazin Februar 2020

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40 JAHRE »ALTERNATIVER

40 JAHRE »ALTERNATIVER NOBELPREIS« Wes Jackson und Kernza, ein Getreide zum Pflücken Der größere Bedarf an Lebensmitteln einer wachsenden Erdbevölkerung kann aufgrund von Klimawandel, Erosion und Artensterben nicht länger mit der konventionellen Landwirtschaft beantwortet werden. Vielleicht muss eine neue Agrarkultur so radikal andere Wege gehen, wie Wes Jackson und sein Land Institute in Kansas, USA. Der Right Livelihood Award kurz gefasst Jetzt, wo der Schnee wegzuschmelzen beginnt, liegen die Felder wieder nackt da: braune Erde, von der ersten Frühlingssonne erwärmt, aus der bald wieder die grünen Sprossen hervorbrechen. Was für die meisten Menschen ein hoffnungsvoller Anblick ist, ist für den amerikanischen Landwirt Wes Jackson ein hoffnungsloser Schwachsinn. »Die Zerstörung unseres ökologischen Kapitals begann, als wir vor 10 000 Jahren mit der Landwirtschaft begannen«, sagt er kopfschüttelnd und erklärt: »Denn die ökologische Balance war stabil, bis wir begonnen haben, Jahr für Jahr die Erde aufzureißen und sie den zerstörerischen Kräften des Windes und Regens auszusetzen.« Da, wo Wes Jackson lebt, in der Prärie im amerikanischen Bundesstaat Kansas, wiegen sich die Gräser im Wind – seit Ewigkeiten, ohne Aussaat und Ernte: wilder Weizen, wilder Roggen, wilder Mais, wild durcheinander. Und wenn ein Bison sich daran genüsslich tat, kam danach kein Mensch, der den Boden aufriss, umpflügte und neu einsäte. Trotzdem standen die Prärien im nächsten Jahr wieder in Blüte. Das war es, was der Agrar wissen schaftler Wes Jackson eines Tages begriff: »Was die Natur uns vormacht, sind immer wieder neu fruchttragende Pflanzen in einer vielfältigen Mischkultur. Was wir Menschen hingegen anbauen, sind jährliche Pflanzen in Monokulturen.« Diesen Grundfehler zu korrigieren wurde die Lebensaufgabe des promovierten Bauern, der alles radikal anders machen wollte: »Im Land Institute arbeiten wir seit 35 Jahren daran, eine Landwirtschaft aufzubauen, die – wie in der Prärie – mit immer wiederkehrenden Feldfrüchten in Mischkulturen arbeitet und ohne Pflügen auskommt.« Wes Jackson will nicht weniger, als dass wir Weizen, Roggen, Soja und Mais immer wieder vom Halm pflücken. Ganz so, als wenn es sich um Äpfel, Oliven oder Nüsse handeln würde, die ja auch jedes Jahr neu am Baum wachsen, ohne dass wir ihn vorher fällen müssten. Und an seinem Land Institute in Kansas ist der Agrarwissenschaftler damit enorm erfolgreich. Durch endlose Kreuzzüchtungen von Kultur- und Wildpflanzen ist es ihm gelungen, solches Getreide herzustellen. Ein paar Jahre erst ist es her, dass er und sein Team die wilde Grasart Thinopyrum intermedium domestizierten, aus ihr die erste gänzlich neue Getreideart seit Jahrtausenden erschufen und auf den Markt brachten: Kernza – grasartig, süßlich nussig schmeckend, aus der in den USA bereits Brot, Bier und Erfrischungsgetränke gemacht werden. Oberirdisch fast wie Weizen, im Untergrund aber ganz anders: Das Wurzelsystem der Pflanze kann sich über drei Meter weit erstrecken und sie produziert bis zu fünf Jahre lang Korn, ohne dass durch Pflügen die Erde aufgerissen und der Erosion ausgesetzt wird. Die Bodengesundheit wird gestärkt, CO ² besser gebunden, das Wasser fließt nicht ab, die Biodiver sität steigt. Das Institut arbeitet zudem erfolgreich daran, jährlich pflückbaren Weizen, Roggen und Sorghum (eine Hirse art) zu entwickeln. Nachdem die ersten Produkte der neuen Getreideart in den USA schon 2017 auf den Markt kamen, wurde im letzten Herbst Kernza nun auch in Deutschland auf ausgewählten Höfen ausgesät. Das Saatgut ist bislang nur über registrierte Anbauer in den Vereinigten Staaten erhältlich, bald schon sollen Kernza- Produkte auch auf dem internationalen Bio-Markt erhältlich sein. Der Right Livelihood Award, eher bekannt als der »Alternative Nobelpreis«, wird seit 40 Jahren an Menschen verliehen, die erfol g- reich an einer nachhaltigen und enkelkinder - taug lichen, freien, gerechten und friedlichen Zukunft bauen. Die bislang 178 Persönlichkeiten aus 70 Ländern gelten als »Heldinnen der Gegenwart« und Pioniere einer anderen Welt. 1980 verkaufte der deutsch-schwedische Philanthrop Jakob von Uexküll seine wertvollen Briefmarken und stif tete die heute weltbekannte Auszeichnung. Die Anerkennung für diese fundamental neue Agrarkultur wächst: Im Jahr 2000 erhielten Jackson und sein Institut den »Alternativen Nobelpreis« für die Entwicklung einer »hoch produktiven und wirklich nachhaltigen Landwirtschaft«. Denn hier geht kein Humus verloren, Dünger und Pestizide werden nicht gebraucht, die Verwüstung wird gestoppt. Das amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek hat ihm bereits bestätigt, dass er eine zweite landwirtschaftliche Revolution auslösen und seine Arbeit der Mensch heit ein paar Jahrtausende weitere Über lebens zeit geben könnte. Der Landwirt aus Kansas nickt dazu nur nachdenklich, zieht die Stirn kraus, reibt sich die Erde von den Händen und sagt: »Wenn wir in der Landwirtschaft nicht zukunftsfähig werden, schaffen wir es auch auf anderen Gebieten nicht.« Dann schaut der 83- jährige Ehrenpräsident des Land Institutes einen mit leuchtenden Augen an und drückt aus, wofür er ein Leben lang gearbeitet hat: »Wir brauchen ein neues Paradigma in der Landwirtschaft. Und das Beste, was wir kennen, ist das der natür lichen Ökosysteme, die seit Millionen Jahren funktionieren.« ››› Geseko von Lüpke 38 Alnatura Magazin Februar 2020

Wes Jacksons Thesen Wes Jackson erhielt den »Alternativen Nobelpreis« im Jahr 2000. • Wes Jacksons Idee von mehrjährigem Getreide ermöglicht eine wirklich ökologische Landwirtschaft. • Das neue Getreide Kernza kann die globale Erosion bremsen, Böden heilen, CO 2 binden und die Menschheit ernähren. In der nächsten Ausgabe berichten wir von der Preisträgerin Maude Barlow, Autorin und Aktivistin aus Kanada, die für das Recht auf Wasser kämpft. Alnatura Magazin Februar 2020 39

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