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Alnatura Magazin Februar 2019

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Rezeptideen: fleischlos genießen // Warenkunde: Früchte- und Kräutertee // Intervallfasten

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG FAMILIE »Ändert die Verhältnisse!« Die Hälfte der heute 40-Jährigen hat vermutlich eine Lebenserwartung von hundert Jahren. Was das für die Zukunft der Arbeit und die Politik bedeutet, erklärt der Soziologe Hans Bertram. Mareen Linnartz: Viele Mütter und Väter würden gern weniger oder mehr, jedenfalls anders arbeiten. Was hindert sie daran? Hans Bertram: »Ökonomische Gründe. Der Mütter- Pay-Gap bei uns liegt bei ungefähr 25 Prozent. Das heißt: In den meisten Beziehungen verdient der Vater immer noch sehr viel mehr als die Mutter.« Das hinzunehmen kann ja keine Lösung sein. »Richtig. Hinzu kommt etwas anderes: Alle Länder haben ihre eigene Kultur, mit Arbeitszeit umzugehen. Bei uns gibt es die starre Vorstellung, Vollzeit bedeute, 40 Stunden zu arbeiten, und eine erfolgreiche Berufskarriere verlaufe ohne Brüche. Und irgendwann, meist mit 65, gehe man in Rente.« Was stört Sie daran? »Die Hälfte der heute Um-die-40-Jährigen hat eine Lebenserwartung von hundert Jahren. Gleichzeitig halten wir an einem Modell fest, das zu Zeiten Bismarcks vielleicht plausibel gewesen ist, weil der Rittmeister vor seinen Soldaten her reiten und jung und 44 Alnatura Magazin Februar 2019

Foto Pixabay fit sein musste. Wer eine Behörde leitet, sollte intellektuell sehr fit sein, aber muss es nicht körperlich sein. Man kann mit 45 neu anfangen oder eine Führungsposi tion übernehmen.« Das würde die »Rush-Hour des Lebens« entspannen, oder? »Natürlich. Das Hausfrauenmodell ist für die überwältigende Mehrheit der Frauen nicht mehr das Lebensmodell. Selbst in der Altersgruppe der 50- bis 64-Jährigen arbeiten heute 70 Prozent der Frauen. Das war in den 90er-Jahren vollkommen anders. Die Schlussfolgerung, die unsere Gesellschaft daraus für diese Frauen aber zieht, ist: Werdet wie die Männer, die keine Kinder haben.« Was muss passieren? »Statt vor allem Frauen verändern zu wollen, sollte sich die Berufswelt ändern. Zuallererst: Man muss sich von der klassischen Vorstellung verabschieden, die Weichenstellungen einer Karriere müssten in einer Zeit passieren, in der auch Kinder großzuziehen sind, also zwischen 30 und 35. Sagen wir, Sie sind 45 und würden gern noch Jura studieren und Richterin werden. Das wären Sie dann mit 55. Warum können Sie dann nicht noch 25 Jahre in Ihrem Beruf arbeiten? Was spricht dagegen?« Sie selbst haben einmal das Modell einer einheitlichen Gesamtlebensarbeitszeit vorgeschlagen, die man aber individuell verteilen kann. »Genau. Alle arbeiten 40 Jahre, manche haben Unterbrechungen durch Elternzeiten, und dann kann man in Rente gehen, wann man will. Heute sind 20 Prozent der Über-65-Jährigen berufstätig. Das sind so leise Wandlungsprozesse, denen die Politik hinterherrennt.« Warum reagiert die Politik nicht? »Es haben zu wenige Frauen Einfluss und davon haben wiederum viel zu wenige Kinder. Und es profitieren zu viele von dem bestehenden System.« Weswegen das Ehegattensplitting nicht abgeschafft wird. »Dabei gäbe es verfassungsrechtliche Spielräume, die Fürsorge steuerrechtlich in den Mittelpunkt zu stellen und die alleinerziehende Mutter genauso zu Ein Heft für Sie – und Ihre Kinder! Das Interview in voller Länge finden Sie im Magazin »Süddeutsche Zeitung Familie«, das es ab jetzt am Kiosk oder im Abo zu kaufen gibt! »Süddeutsche Zeitung Familie« besteht aus zwei Teilen, einem für Kinder und einem für Erwachsene. Die Hefte können neben einander und miteinander gelesen werden. Das Kinderheft eignet sich für Kinder ab vier Jahren und ist komplett werbe frei. Unter sz.de/alnatura können Sie eine Testausgabe gratis bestellen! behandeln wie das Ehepaar. Ganz abgesehen davon: Eine Familienpolitik, in der Leistungen nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden, ist keine echte Familienpolitik.« Wenn Sie Familienminister wären, was wäre Ihr wichtigstes Thema? »Wie organisieren wir die Lebensläufe so neu, dass sie für Familien besser funktionieren?« Das wäre dann auch die Forderung an die Unternehmen? »Die müssen mitmachen, natürlich.« Was wünschen Sie sich von der Gesellschaft? »In Familien mit Kindern unter sechs Jahren wenden Eltern im Durchschnitt 60 Stunden in der Woche für Haushalt und Betreuung auf. Man sollte endlich akzeptieren, dass Eltern eine feste Zeitbelastung haben, die sie nicht wegorganisieren können. Diese Zeit macht Eltern oft Spaß und manchmal Stress, aber sie ist da. Und sie müsste sichtbarer werden.« Und wie sollten sich Familien ändern? »Wie sie ihre Arbeit aufteilen wollen, sollte jedes Elternpaar für sich herausfinden. Ich bin der festen Überzeugung, dass es viel wichtiger ist, dass Politik und Wirtschaft die Rahmenbedingungen ändern. Lasst uns die Umstände verbessern und nicht die Menschen.« ››› Das Interview führte Mareen Linnartz. Hans Bertram ist einer der bedeutendsten Familienforscher Deutschlands. Der 72-jährige Soziologe hat den Begriff »Rush-Hour des Lebens« bekannt gemacht, der für die hochverdichtete Lebensphase zwischen 30 und 40 Jahren steht. Alnatura Magazin Februar 2019 45

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