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Alnatura Magazin August 2018

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Bunte Mini-Tomaten von Eosta // Warenkunde: Kartoffel und Süßkartoffel // Einblicke in die Bio-Gärten auf dem Alnatura Campus

BIODIVERSITÄT

BIODIVERSITÄT Artenverlust: schlimmer als der Klimawandel Vielfalt ermöglicht Vielfalt. Vielfalt in Natur und Landwirtschaft ist wertvoll. Das ist heute eine anerkannte Tatsache, wird aber dennoch viel zu wenig beachtet. In dieser Serie zeigen Fachleute Zusammenhänge auf und berichten über die vielen Facetten des Themas. Alnatura Magazin: Herr Professor Wägele, warum ist der Verlust an Artenvielfalt schlimmer als der Klimawandel? Prof. Dr. Wolfgang Wägele: »Der Klimawandel ist letztlich ein physikalischer Prozess, er ist bei veränderten Bedingungen umkehrbar. Eine Pflanzen- oder Insektenart dagegen, die ausgestorben ist, ist verloren. Es hat Jahrzehntausende gedauert, bis sie im Zuge der Evolution entstanden ist. Die Natur kann das nicht wiederholen. Dasselbe gilt für das Aussterben einer lokalen Rasse. Die besonderen Eigenschaften und Fähigkeiten dieser Population sind dann für alle Zeiten weg.« Manchmal liest man, dass ausgestorben geglaubte Arten doch wieder aufgefunden werden. »Bei Pflanzen, deren Samen noch im Boden vorhanden sind, ist das möglich, wenn die Umweltbedingungen wieder günstiger werden. Insekten, Vögel oder Säugetiere können wieder in ein Biotop einwandern. Oder Menschen bringen sie von einem anderen Ort dorthin. Aber dann handelt es sich nicht immer wirklich um dieselbe Art oder dieselbe Population, sondern allenfalls um eine ähnliche. Sie verhält sich möglicherweise anders als die ausgestorbene. Sie kann weniger konkurrenzfähig sein gegenüber den sonst vorhandenen Arten. Oder sie kann sich im Gegenteil sogar aggressiver gegenüber anderen Tier- und Pflanzenarten am Standort verhalten. Wenn das der Fall ist, 38 Alnatura Magazin August 2018 kann es sogar schädlich sein, dass Menschen Individuen einer Art an einen neuen Ort bringen und dort aussetzen.« Der Entomologische Verein Krefeld hat zwischen 1989 und 2016 Insektenbestände in Naturschutzgebieten beprobt und einen Verlust an Biomasse von 76 bis 81 Prozent festgestellt. Darüber ist breit in den Medien berichtet worden. Vertreter verschiedener Organisationen und Wissenschaftler bewerten die Befunde sehr unterschiedlich. Viele sind bestürzt, andere wiegeln ab. Wie schätzen Sie die Ergebnisse ein? »Ich halte die Ergebnisse für überaus wichtig und für äußerst alarmierend. Sie zeigen schon rein mengenmäßig einen unglaublichen Rückgang bei den Insekten an und das in Naturschutzgebieten. Ich folgere daraus, dass für den Insektenbestand die untersuchten Naturschutzgebiete nichts nützen.« Das ist ein sehr hartes Urteil. Wie begründen Sie Ihre Auffassung? »Ich gehe davon aus, dass mit dem Regen viele Stickoxide, also letztlich Dünger, in die Naturschutzgebiete eingetragen werden, die dort zu einer ganz anderen, artenärmeren Zusammensetzung des Pflanzenbestandes führen. Das hat auch Auswirkungen auf die Insektenfauna. Über die Luft wird Abdrift aus Pestizidspritzungen konventionell wirtschaftender Landwirte eingetragen und schädigt die Insekten im Weitere Infos zum Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig und dem Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere unter zfmk.de Schutzgebiet. Das wiederum zieht Veränderungen bei der insektenfressenden Fauna nach sich, allen voran der Vogelwelt, bei feuchten Standorten auch der Frösche, Kröten, Fische und so weiter.« Was soll man tun? Welche Schritte empfehlen Sie? »Zunächst brauchen wir mehr Informationen. Die Kolleginnen und Kollegen des Krefelder Entomologischen Vereins haben 5 000 Gläser Insektenproben stehen. Sie haben zunächst nur eine summarische mengenmäßige Auswertung vorgenommen. Es ist wichtig, dass dieser reiche Schatz an Material genauer ausgewertet wird. Welche Insekten und wie viele jeweils haben während des 27-jährigen Beprobungszeitraums in den Naturschutzgebieten gelebt? Welche Dynamik der Entwicklung lässt sich aus den Befunden ablesen? Wir wollen den Krefelder Kollegen bei der Auswertung helfen. Aktuell entwickeln wir effiziente Methoden, um Professor Dr. Wolfgang Wägele leitet das Zoolo gische Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn.

ANZEIGE schnell bestimmen zu können, um welche Insektenarten es sich gehandelt hat. Man kann das nicht händisch auszählen, sondern muss für den großen Probenumfang moderne Methoden, auch unter Einsatz von DNA-Analytik, nutzen. Für Gegenwart und Zukunft braucht es an verschiedenen Standorten moderne und effiziente Überwachungsmethoden. Ich kann mir etwas Ähnliches wie Wetterstationen zum flächendeckenden Insektenmonitoring vorstellen.« Und dann – was geschieht, wenn mehr Informationen vorliegen? »Wenn wir mehr wissen, können wir Ursachen nachweisen und besser überlegen, was man tun sollte und was man besser lässt. Dann werden wir die Politik von Lobby-Interessen unabhängig und auf Wissenschaft basierend beraten können. Die Rolle der Landwirtschaft für die Artenvielfalt oder eben auch für deren dramatisches Schwinden ist erheblich. Auch Siedlungsbau, Lichtquellen und Straßenverkehr wirken schädlich auf die Insekten. Aber die Landwirtschaft beeinflusst die größte Fläche, auch über die unmittelbar bewirtschaftete hinaus. Wir brauchen die Vielfalt in unserer Natur und müssen schnell und entschieden handeln, um ihren Schwund zu stoppen.« ››› Das Interview führte Manon Haccius. Serie konzipiert und redaktionell betreut von Manon Haccius. www.taoasis.com

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